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Adventure your Life

 

CRUSOE 2.0 –
Ein Leben- zwei Geschichten


Aus dem neuen Abenteuerbuch von Volker Kreuzner

Immer Dienstag und Donnerstag ab August.

Survivor Casting – Teil 9 von 12


Wer hat Angst vor’m kleinen Klitschko?

 

(Er weiß, wo die Phobie herkommt.) … Ich war acht Jahre alt. In der Nähe meines alten Kindergartens. Zahnarztpraxis. »Mit diesen Zähnen wird der Junge sechzig. Aber der hier muss raus.« Betäubung gab es nicht. Meine Mutter hinter mir. Meinen Mund mit einer Spange geöffnet. Bohrer und Zange riesig. Ich schrie. Heulte. Wehrte mich. Umsonst. »Stell dich nicht so an.« Der Zahnarzt grummelte vor sich hin. Ich hielt die Klappe und spannte mich noch mehr. Meine Mutter musste viel Kraft aufbieten. Sie stemmte sich gegen meinen Kopf in ihrer Armbeuge. Irgendwann war Schluss. Sie kaufte mir eine kleine Belohnung. Es schaffte kaum Erleichterung, doch dafür hält sich die Erfahrung bis heute hartnäckig.

 

Andy riet dazu, gleich beide Weisheitszähne zu ziehen. Ober- und Unterkiefer. Ein Abwasch. Erledigt. In der Zahnchirurgie Bonn. Ich bestand auf einer Betäubung, »volle Dröhnung«. Claudia musste mit. Zum Autofahren. Im Wartezimmer wurde auf einmal alles schummrig. War wirklich volle Dröhnung und hielt bis zum nächsten Tag. Dann nur noch den Check beim Hausarzt. So ein Komplettcheck halt. Er rief mich ein paar Tage später abends an. »Oh, das ist aber kein gutes Zeichen, wenn der Arzt einen zu später Stunde anruft«, scherzte ich. Er fand es nicht witzig und blieb höflich reserviert. Meine Blutwerte würden nicht stimmen. Es könnte sein, dass Prostatakrebs dahinter steckt. Müsste aber nicht. Wäre vielleicht auch nur eine Entzündung. Er riet zu einer sofortigen Untersuchung beim Urologen. So so. Nein. Dann wäre mein Inselabenteuer ja erledigt. Ich will das jetzt nicht hören. »Ich kümmere mich darum, Herr Doktor« sagte ich und dachte mir nur, dass man Ärzte und Rechtsanwälte doch wie immer »in der Pfeife rauchen kann«. Eines meiner »geflügelten Worte«. Geht unbesehen auch als dummer Spruch durch. Natürlich ist er nicht ernst gemeint. Sie verlangen nur oft Sachen von einem, die sich nur sehr mühevoll umsetzen lassen. Unbequeme Sachen. Ich machte am anderen Tag den Termin beim Urologen für den Oktober.

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Sonntagmorgen. Noch achtzehn Tage. Termin beim Senderarzt. Eine Tropenarzt­praxis in Köln. Ich war wie immer früh auf. Bin auch wie immer Brötchen holen gefahren. An der Esso. Fünf normale, drei Körner, zwei Croissants, zwei Schoko-Croissants. Coffee-to-go. Klein. Über zehn Euro. Mann-o-mann. So schnell kann man das Geld ja gar nicht reinholen, wie es wegrieselt. Gemeinsames Frühstück. Ich aß wie immer nichts. Das mache ich schon seit Jahren so. Ich kriege einfach so früh am Morgen nichts runter. Keine Atempause. Diese Zeilen von »Fehlfarben«: »Keine Atempause. Geschichte wird gemacht. Es geht voran …« Sie hämmerten für mich nur allzu Bekanntes in mein Bewusstsein: immer weiter. Beim Arbeiten habe ich dann eben keine Zeit zum Essen. Keine Zeit für Hunger. Wenn die Anderen Pause machen, habe ich Zeit, um die Gedanken zu ordnen für den Nachmittag. Ich esse zu Hause. Nach sechs. Zu spät und zu viel. Meine Altherrenwampe belegte diese Tatsache allzu deutlich. Auf der Insel wird mir dieser Rhythmus allerdings zum Segen werden.

 

Es wurde Zeit. Schnell nochmal zur Tanke. Wieder einen Coffee-to-go. XL. Dieser Kaffee war ziemlich stark. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als sich mein Navi meldete: »Sie haben Ihren Zielort erreicht.« Zweite Etage. Viel los. Viel Warterei. Blutdruck messen, Belastungs-EKG. Ich konnte kurz in diese, durch einen Vorhang abgetrennte, kleine Nische sehen, in der gerade ein anderer Kandidat ein EKG auf dem Rad erledigte. Ach du Schande. Der ist bestimmt einsneunzig groß. Und hat Schultern wie der kleine Klitschko. Wladimir. Den habe ich gesehen. In Köln. Zweimal. Mit Claudia. Unvorstellbare 200 Euro pro Ticket. Gegen Axel Schulz. Und nochmal als er Weltmeister wurde. Gegen diesen Chris Byrd. Oh je, du schmierst da voll ab in dem Spiel. Im Wartezimmer …

 


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Bild: Tengahfound, Volker Görnert.

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