CRUSOE 2.0 –
Ein Leben- zwei Geschichten
Aus dem neuen Abenteuerbuch von Volker Kreuzner
Immer Dienstag und Donnerstag ab August.
Survivor Casting – Teil 5 von 12
Von italienischen Designerschuhen
(Am Nachbartisch) … war eine ganze Menge los. Da saßen anscheinend Bayern, die sich wohl gesucht und gefunden hatten. Eine ältere Frau dazwischen. Esoterischer Meditationstyp. Mit Hut. Allmählich wurde es immer leerer im Raum. Einer nach dem anderen wurde aufgerufen. Der Rest setzte sich zusammen. Ich blieb schön, wo ich war. Der Bayerntisch meldete sich: »Komm doch rüber zu uns.« »Nein, danke. Ich fühl mich hier ganz wohl.« Sie ließen nicht locker. Ich glaube, sie dachten, ich würde mich nicht trauen. Dann halt etwas energischer. Passte. Sie ordneten mich unter der Rubrik Spaßbremse ein und machten etwas leiser mit ihrer gegenseitigen Belustigung weiter.
Meine ganze Aufmerksamkeit galt nun dem Typen hinten an der Wand. Ich schätzte ihn Mitte, Ende dreißig. Kurze Haare. Saß da auch alleine. Die Beine langausgestreckt, den linken Arm locker auf dem Tisch. Sein Zeigefinger klopfte kaum hörbar in langen, aber regelmäßigen Abständen auf die Tischplatte. Ein kurzes Geräusch. Wie ein Uhrwerk. Kein Blickkontakt mit den anderen. Starrte stoisch aus dem Fenster. Verzog keine Miene. Schien ein harter Brocken zu sein. Ok. Das war ein Konkurrent. Doch davon später.
Es wurde Zeit. Ich kam an die Reihe. Kaum Licht. Drei Frauen im Raum. Zwei Brünette. Machten Licht, Ton und Kamera. Dann noch eine Blonde. Schien da der Boss zu sein. Zumindest fragte sie mich immer was. Wer ich denn wäre. Was ich so machen würde. Wie ich über Frauen dächte. So so. Ich sagte ihr, was ich dachte. Da gäbe es schon eine natürliche Spannung. Grundsätzlich auch eine sexuelle Spannung. Das hindere mich aber nicht daran, auch Freundinnen zu haben. Zur Sicherheit stellte ich noch klar, was gemeint war. Freundin wie Freund. Schien ihr zu gefallen. Wie ich denn mit Chefs im Allgemeinen so auskäme? Allseits loyal. Noch ein paar Belanglosigkeiten. Kurz zugeworfene Blicke. Pause. Keiner redete mehr. Bis die Blonde sagte: »Danke. Warte bitte noch kurz.« Eine ging raus. Sie kam mit einem Typ wieder rein, der so groß war, dass er kaum durch die Tür passte. Ziemlich dünn. Sehr gut gekleidet. Weißes Sakko. Mir fielen sofort seine Schuhe auf. So stellte ich mir Schuhe vor, wenn man von italienischen Designerschuhen sprach. Ganz feines Leder. Vorne spitz zulaufend.
Er setzte sich auf einen Stuhl an der Wand. Die Blonde sagte, dass ich mich doch kurz noch mal vorstellen solle. Also noch mal von vorne. Der Typ unterbrach mich schnell. »Kannst du manipulieren?« Aha. »Klar. Ich mache den ganzen Tag nichts anderes.« »Wie meinst du das?« »Na ja, ich habe vier Mädchen zu Hause, bin schon lange verheiratet und eine selbstständige One-Man-Show. Ich führe viele Gespräche am Tag. Mehr oder weniger sinnvolle. Und ich muss in professionellen Preisverhandlungen bestehen. Das ginge alles nicht, sowohl im Privaten, als auch im Business, wenn ich da nicht versuchen würde, meine jeweilige Position durchzusetzen. Natürlich in friedlichem Einvernehmen. Geht zwar nicht immer, aber ich probiere es halt immer wieder.« Ich lächelte. Pause. Der Typ blickte zu den Frauen. Dann zu mir. »Danke. Das war’s dann erst mal. Du hörst von uns.« Sprach es und verschwand.
Na ja. Ok. Händeschütteln. Tschö mit ö. Raus. Ich fühlte mich ganz entspannt und ging langsam zurück zu meinem Auto. War das jetzt gut oder schlecht? Ich werde es erfahren. Bei uns stand jetzt erst mal Urlaub an. Allgäu. Wie schon oft. Unmittelbar in die Berge. Katzensprung bis Österreich. »Alpensonne« hieß das Haus. Für mich der ideale Platz, um auszuspannen. Das Casting ließ mir trotzdem keine Ruhe. Na ja. So war die Spannung halt von Anfang an sehr hoch. Natürlich kam der Anruf mitten im Urlaub. Ich machte gerade Programm mit den Kindern. Schwimmen. Deshalb fuhren wir so gerne in diese Ferienwohnung in Pfronten. Unten im Keller ein großer Pool. Mit Zugang nach draußen in den Garten. Die Kinder waren da nicht wegzukriegen. Also Erholungswert einhundert Prozent für alle.
Ein Tobi erreichte mich auf dem Handy. Wir verabredeten uns zu einem längeren Telefongespräch am Abend. Dann waren die Kinder im Bett. Er klingelte pünktlich durch. Wir redeten viel. Mein alter Bundeswehrspruch gefiel ihm sehr: »Tarnen, täuschen und verpissen.« Womit lediglich gemeint ist, ja nicht aufzufallen. Dann kriegt man auch keine unangenehmen Aufgaben. Und wer nicht wahrgenommen wird, kriegt auch keinen Ärger. Ich hatte Glück. Das letzte Casting fand an dem Sonntag statt, an dem wir wieder zuhause waren. Wieder Köln. Aber ein anderer Ort. Nur noch achtundvierzig Leute, aus denen sie dann die letzte Auswahl treffen wollten. Ich musste Schwimmsachen mitbringen.
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… Fortsetzung folgt
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Bild: Tengahfound, Volker Görnert.