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Adventure your Life

 

CRUSOE 2.0 –
Ein Leben- zwei Geschichten


Aus dem neuen Abenteuerbuch von Volker Kreuzner

Immer Dienstag und Donnerstag ab August.

Vorbereitung – Teil 11 von 12


„Keinen Hunger, keine Heimweh und keine Angst vor Schlangen“.

 

(So könnte…) … ich es verantworten. Aber um jegliches Risiko auszuschließen, muss ich noch auf einer Untersuchung bei einem Kardiologen bestehen.« Wie? Was jetzt schon wieder? So langsam wurde ich sauer. »Warum? Die Werte sind so, wie Sie sie haben wollten. Das dauert doch ewig und drei Tage, bis ich da einen Termin kriege.« »Na, dann strengen Sie sich an. Heute ist Mittwoch. Spätestens am Samstag muss ich die Gesundheitszeugnisse an den Sender faxen. Knien Sie sich rein. Holen Sie sich schnell einen Termin. Ich brauche das Attest eines Kardiologen, dass Ihr Herz durch jahrelangen unbemerkten Bluthochdruck nicht geschädigt ist. Auf der Insel wird es körperlich sehr stressig und anstrengend. Ein ungewohntes, belastendes Tropenklima. Mangelernährung. Soziale Isolation. Da müssen Sie in absolut guter Verfassung sein. Und die anderen Kandidaten sind wesentlich jünger als Sie.« So so. Eigentlich hätte ich ihm eine ganze Menge zu sagen gehabt. Aber ich verkniff es mir. Was soll denn das schon für ein Stress sein? Ich weiß, was Stress ist. Das hier auf jeden Fall nicht. Ich war sauer.

 

Zu Hause klemmte ich mich aber gleich ans Telefon. Zwei Absagen. Dann einen Termin heute noch um sieben. Als Privatpatient nach der Sprechstunde. Ok. Dann muss ich halt zahlen. Das wäre geschafft. Eine Stunde ausführliche Untersuchung. Der Arzt war neugierig. Ich erklärte ihm die Situation mit Hinweis auf seine Schweigepflicht. Wir sind ja vom Sender vergattert worden. Es durfte nichts von dieser Sendung publik werden. »Die Bedenken des Kollegen sind unbegründet. Ihr Herz ist gesund und nicht geschädigt. In Ihrem Alter ist Bluthochdruck nicht ungewöhnlich. Ich schreibe das Gutachten und faxe es dem Kollegen morgen zu.« Danach erzählte er mir noch in mehr privatem Rahmen, dass er von dieser Art Fernsehunterhaltung absolut nichts hält, sich so einen Mist nicht anschauen würde und im Übrigen auch nicht versteht, warum ich mich auf so etwas einlasse. Geschenkt. Rechnung kommt. Na also. Es konnte losgehen. Ich hatte mir so viel vorgenommen. Ich wollte noch ins Fitnessstudio und wenigstens ein wenig für die Ausdauer machen. Schließlich hatte ich jahrelang nichts mehr wirklich Sportliches getan. Ein Crashkurs in tropischer, asiatischer Pflanzen- und Kleintierwelt stand auch auf der Agenda. Das war jetzt alles gestorben. Also würde das Spiel für mich wie vieles im Leben beginnen. Keine Atempause. Von null auf hundert. Sofort. Bei mir dreht sich die Welt eben anders. Jetzt fing es an, Spaß zu machen. Ich freute mich.

 

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Anfang Mai. Nur noch acht Tage. Einiges an Vorbereitung klappte nicht mehr seit dieser irritierenden Unruhe durch den Check des Tropenarztes. Mann. Hatte der mich Zeit gekostet. »Ich will keinen Hunger, keine Angst vor Schlangen, kein Heimweh und keine sentimentalen Anwandlungen. Mach das weg!« Das war mein Auftrag an den Hypnotiseur, den ich aufsuchte, als klar war, dass sie mich mitnehmen würden. Eine Kollegin im Verlag hatte von ihm erzählt. Sie wollte nicht mehr rauchen. Hatte zwar nicht daran geglaubt, dass es mit Hypnose funktionieren würde, aber die zweihundert Euro war ihr der Versuch wert. Es hat geklappt. Warum sollte das nicht auch mit meinem Anliegen funktionieren? Als ich ihm die Situation schilderte, bekam ich schon für den nächsten Tag einen Termin. Nach einem intensiven Vorgespräch war er von meiner Einstellung überzeugt. Ich knallte mich in einen sehr bequemen Ledersessel. Elektronisch gesteuert. Wie bei meinem Chrysler »Vision V6 3.5 Automatik«. Baujahr 84. Alle Extras. Es passte fast. Ich musste kaum etwas nachstellen, um meine ideale Liegeposition zu finden. Etwas leise Musik. Seine ruhige, tiefe Stimme. Ein Pendel. Ich schmeiß mich weg. Das ist ja echt so.

 

Dann tippte er kurz auf meine Stirn, etwas oberhalb der Augen, und ich war weg. Nicht betäubt, aber in einem halb wachen, nach innen gekehrten, aufmerksamen Dämmern. Ich lauschte der Stimme. Sie führte mich in einen Garten mit vielen Ebenen. Mit jeder Treppe abwärts wurde dieser Garten immer fantastischer. Ruhiger. Jede Ebene mit anderen Pflanzen. Aus ganz anderen Kulturen. Irgendwann war ich auf der untersten Ebene angekommen. Ein Ort des wohligen Entspannens. Ich roch das frische Gras. Von weitem näherte sich ein Zug. Eine Dampflok. Mit Güterwaggons. Als er an dem kleinen, gepflasterten Bahnsteig des Gartens hielt, öffneten sich Schiebe­türen an den Waggons und ich konnte den Kram, den ich so bei mir trug, abladen. Alles, was man halt so bei sich hatte, aber nie brauchte. Oder von dem ich meinte, es sei wichtig. In Wirklichkeit aber nur nutzloser Ballast. Die Türen schlossen und der Zug fuhr langsam an. Leise. Fast ohne Geräusch. Ich konnte mich endlich ins Gras legen und entspannen. Leicht. Der Zug war schon weit weg. Aber ich hörte ihn noch kurz pfeifen. Leise. Es war Zeit zurückzugehen. Als ich aufwachte, war mehr Zeit vergangen, als ich dachte. Die gefühlten zwanzig Minuten in diesem aufmerksamen Dämmerzustand waren achtzig Minuten Echtzeit. Nachdem seine ruhige Stimme mich im Countdown rückwärts zurückholte, verblieb dieser Zustand des vernebelten Denkens noch eine Zeit lang. Mit einem leichten Ziehen im Kopf. So eine Art beschwerende Dichte im Hirn. Offensichtlich war etwas passiert. Nach drei Sitzungen in dieser letzten Woche waren wir durch. …

 

 


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Bild: Tengahfound, Volker Görnert.

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