In meinem vorherigen Blogbeitrag „Ist Vox jetzt echt so blöd?“ habe ich schon einiges geschrieben über das neuerliche Quotenfiasko der 2. Staffel „Survivor Deutschland“ und dir einige Gründe aufgezählt, was gut in der ersten Staffel lief und was VOX hätte eigentlich wissen sollen (müssen?). Hier nun die Fortführung dieses Produktionsdesasters. Aber …
… was wäre schon eine Kritik ohne konstruktive Vorschläge? Et voilà:
Zuerst einmal: Da wäre die Glaubwürdigkeit von Survivor …

… und schon sind wir beim eigentlichen Dilemma des Survivor-Quotendesasters:
Business as Usual. Einfach wie immer! Die notwendigen Zutaten her und wir backen uns eine tolle Survivor-Staffel. Dem Zuschauer, der das ganze ja am Ende mit Quote bezahlen soll, wird es schon schmecken. Schließlich frisst er die deutsche Reality-Mischung ja schon seit dem ersten Bigbrother 2001. Zwar schon alles ziemlich professionell gemacht. Aber … Nun ja. Der Kreativitätsfaktor etwas abgenutzt. Und mittlerweile verkommen zum Trash? Aber wo ist das Neue? Ein Graubrot bleibt ein Graubrot, wenn ich es wie ein Graubrot mit den Zutaten eines Graubrotes backe. Und jeder (du ahnst es: wir sind ja nicht doof) wird es auch sofort als solches erkennen. Auch wenn der Bäcker nicht aufhört zu behaupten: Ganz neu. Sensationell. Noch nie dagewesen, das Beste unter Gottes Sonne, exorbitant hart und gefährlich. Überzeugend wäre es erst, wenn es dann so überzeugend gemacht wäre. Und schon sind wir wieder bei der Glaubwürdigkeit von Survivor in Deutschland.
Wenn es eine Emoji für Kopfschütteln gäbe, hätte ich es jetzt hier eingefügt. Doch weiter mit der nächsten Erschütterung meines Glaubens an unsere Fernsehmacher.
- Haltet euch fest: Da hat die erste Folge am 13. September keine herausragenden, aber immerhin Hoffnung gebende runde eine Million Zuschauer, die erwartungsvoll auf das von den Sendern der RTL-Familie geteaserte „härteste Spiel der Welt“ hoffen. Sie haben seit 20:15 mehr als eine Stunde zugeschaut. Und sie haben viel gelernt. Gleich am Anfang. Wie man eine Intrige einfädelt. Gerade auf einer einsamen Insel angekommen. Wie man sich gegen jemanden verschwört, den man noch gar nicht kennengelernt hat. Hmh. Ach so. Dabei zeichnet sich eine gute Intrige doch dadurch aus, dass man sie nicht als solche erkennt. Sondern erst am Ende, wenn die „Rübe“ runter ist. Das ist doch dann das „Boah“. Weiß die Menschheit spätestens seit Heinrich dem VIII. Das ist doch das, wonach die Fernsehmacher streben. Dieser Cliffhanger. Der uns anfixt für die nächste Folge. Oder?
- Sie (die vielleicht noch Mio) haben dabei zugeschaut, … (wohlgemerkt in der ersten Folge. Ein paar Minuten sind erst vergangen. Auf einer einsamen Insel, wie versprochen? Nein. Auf Holzpfählen. Im Meer.) … wie zwei unbekannte Menschen auf dieser Insel (Du ahnst es. Sie werden nicht wirklich vorgestellt) versuchen, einen dramatisch herbeigezerrten, aber eben auch unverständlichen Versuch einer Verschwörung abzuliefern. Allzu gescripted wirkt es. Die Taktiken der amerikanischen Teilnehmer aus den USA schlecht zu imitieren, stößt eben nicht auf die notwendige Glaubwürdigkeit.
- Aber der noch nicht verschreckte und weiter über das Intrigieren an sich nachdenkende Zuschauer lernt nun aber nun auch noch, wo man auf einer einsamen Insel in der Südsee an einer unbekannten, sehr unzugänglichen, versteckten Stelle im Nu ein überaus wichtiges (Zum Essen? Oder vielleicht zum Drinwohnen? Oder zum Schutz vor der Hitze? Oder gar vor wilden Tieren?) Amulett finden kann.

- Ein geheimer Survivor-Zauber? Das wäre ja mal interessant. Nein. Du ahnst es. Um eine total hirnrissige Täuschung vorzubereiten. Aber immerhin. Sie finden es an einer Stelle, mit der es eigentlich nur mit GPS-Ortung zu finden gewesen wäre. Hmh. Also, man könnte fast meinen, dass hat denen jemand gesagt. „Psst. Schaut mal dahinten. Aber nicht weitersagen.“ Überhaupt macht diese Finte mit dem Amulett hier noch gar keinen Sinn. Das ist ja in etwa so, als wenn man im Championsleague-Endspiel mit dem Elfmeterschießen anfängt. Ich vermute, da haben einige bei VOX (oder war’s Banijay) was nicht verstanden. Der Zuschauer auch nicht. Spätestens hier, also schon ziemlich am Anfang der ersten Folge von 13, wird es schwierig für die vielleicht noch Million, einen glaubwürdigen Versuch zu erkennen, sie spannend und mit etwas Neuem gut zu unterhalten.
„Wenn es unseriös wird, dann wird’s schäbig.“
Da scheint es mir doch eindeutig an der notwendigen Kreativität und auch der Bereitschaft zu mangeln, Qualität abzuliefern.
Hier möchte ich auf ein sehr interessantes Interview zum Thema Kreativköpfe im Deutschen Fernsehen und über die Möglichkeiten einer guten TV-Umsetzung in Deutschland eines im Ausland erfolgreichen Formates am Beispiel der englischen Realityshow „Love Island“ hinweisen. Christiane Ruff (CEO ITV Studios Germany) und Shona Fraser (Vice President Entertainment & Development bei RTL 2) und seinerzeit die Produzentin der ersten Survivor-Staffel bei ProSieben, haben es am 09.09.2019, also noch vor Start der VOX-Staffel dem onlinemagazin DWDL.de gegeben.

„Das ist Shakespeare“: Ruff und Fraser über „Love Island“
Beide gehen für mich sehr aufschlussreich auf die Komplexität, den enormen Aufwand sowohl bei Material als auch bei Personal, dem sensiblen Casting und der kreativen Leistungsfähigkeit jedes verantwortlichen Mitarbeiters bei dem „Monsterapparat“ der Produktion eines ausländischen TV-Formates in Deutschland ein. Sie weisen unter anderem auf die Problematik der fehlenden Kreativ-Kapazitäten auf dem deutschen Fernsehmarkt ein. Wenig gute Ausbildungsmöglichkeiten und zu hohe Gehälter für die wenigen Kreativen auf dem Markt. Die Sender werben sich die seltene Kompetenz gegenseitig ab. Übrig bleibt dann Handwerk.
Der nächste Grund von „1000“ für den Flop des Jahres
Ein Kreativproblem
Die Feststellungen von Christiane Ruff und Shona Fraser machen für mich den Misserfolg von Survivor-VOX noch klarer. Das deutsche TV hat ein Kreativ-Problem. Alle wollen es sein. Nur wenige sind es. Aber die sind woanders und wollen aus gutem Grund viel Geld, um sie abzuwerben. Ein handwerklich gut ausgebildeter Schreiner macht mir eben nur einen Schrank. Aber einen schönen Schrank baut mir nur der gut ausgebildete und kreative Schreiner.
VOX folgt meines Erachtens wie andere Sender einfach dem ersten Esel. So dumm der auch ist. Hauptsache groß. Frei nach dem Motto: „Das ging schonmal so. Das kriegen wir schon hin. Wir haben zwar nicht die kreativen Köpfe, die wir brauchen, um das „gut“ (anm. einzigartig, unterhaltend, fesselnd, informativ, spannend, spektakulär) zu machen, aber so schwer kann das doch nicht sein. Die Kollegen von ProSieben haben es zwar mutig selbst probiert und prompt eine Bauchlandung hingelegt. Aber uns passiert das nicht.

Wir holen einfach eine Produktionsfirma aus Frankreich, die das dort schon über mehrere Staffeln gemacht hat. Da ist zwar ein Teilnehmer während der Aufzeichnung gestorben und Koh Lanta (das französische Survivor) wurde daraufhin in Frankreich 2013 eingestellt. Aber die werden schon wissen, wie das geht. Und bei Zweifeln machen wir es einfach 1:1 wie in den USA. Sogar mit den taktischen Spielzügen der Teilnehmer untereinander. Was soll da schon schiefgehen?“
„Ja nee. Is klar!“
ProSieben waren die ersten. Risiko. Da kann man schonmal hinknallen. Keiner weiß beim ersten Mal wirklich so genau, wie das geht. Ok. Aus Fehlern kann, ja sollte, nein muss man lernen. Aber VOX? Ziehen den gleichen Stiefel einfach nochmal durch!
Und Überraschung!
Klappt wieder nicht. Einen Haufen Kohle mit Ansage versenkt. Mund abputzen. Machen wir einfach die nächsten 12 Jahre nicht mehr. Hallo? Wie blöd muss man eigentlich sein?
Das macht mich sauer. Wie kann man solch ein nachweislich interessantes, spannendes, unterhaltendes und inspirierendes TV-Format (Ich weiß wovon ich rede. Ich war dabei und habe es erlebt) zum zweiten Mal versenken? Mit den gleichen Fehlern? Das geht doch gar nicht!
Du ahnst es. Und es geht doch.
Wenn du mehr darüber lesen willst, wie VOX es echt geschafft hat dieses tolle Format zu versenken, dann klicke unten auf den nächsten Beitrag „Jetzt zu meiner Ansicht, warum es so wieder floppen musste.“
2/3 Beitrag von Volker Görnert, Survivor 2007, 16.12.2019 (überarbeitet 22.12.19|18.04.2022)